Information von Prof. Dr. Angela Moré

Professorin für SozialePsychologie, Leibniz-Universität Hannover

Einleitung:

Die "transgenerationale Trauma Weitergabe  beschreibt das Phänomen, dass traumatische Erfahrungen und deren psychologische Auswirkungen von einer Generation an die nächste weitergegeben werden, auch wenn die Nachkommen das ursprüngliche Trauma nicht selbst erlebt haben. Dieses Konzept ist vor allem in der Psychologie, der Traumatherapie und der Epigenetik von Bedeutung und wird häufig bei Überlebenden von Kriegen, Völkermorden oder anderen schweren traumatischen Ereignissen untersucht.

 

Mechanismen der Trauma-wiedergabe

Die Weitergabe eines Traumas an nachfolgende Generationen kann auf verschiedene Arten erfolgen:

1. Psychologische Übertragung: Traumatisierte Eltern können ihre Erfahrungen und Ängste bewusst oder unbewusst an ihre Kinder weitergeben. Dies kann durch unbewusste Verhaltensmuster wie emotionale Distanzierung, Ängstlichkeit oder übertriebene Vorsicht geschehen.

2. familiäre Erziehungsmuster: In manchen Fällen entwickeln sich familiäre Muster und Kommunikationsstile, die von der Trauma Geschichte geprägt sind. Kinder lernen dadurch oft, die Verhaltensmuster der Eltern zu übernehmen und fortzusetzen.

3. Epigenetische Veränderungen: Forschungsergebnisse zeigen, dass schwere Traumata molekulare Veränderungen in der DNA verursachen können, die sich auf die Genexpression auswirken. Diese epigenetischen Markierungen können potenziell an die nächste Generation weitergegeben werden, was zu einer erhöhten Anfälligkeit der Nachkommen für Stress und Trauma führen kann.

4. narrative und kulturelle Traditionen: In einigen Fällen wird das Trauma durch Geschichten, Rituale oder Traditionen innerhalb der Familie oder Gemeinschaft weitergegeben. Das Trauma wird so zu einem Teil der kulturellen Identität der Familie oder Gemeinschaft.

 

Auswirkungen auf die Nachkommen

Nachkommen von traumatisierten Personen können Gefühle wie Angst, Schuld oder ein diffuses Gefühl der Bedrohung erleben, ohne den Grund dafür genau zu verstehen. Diese Erfahrungen können das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen und die Betroffenen können anfälliger für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder PTBS sein.

 

Therapie und Heilung

In der Traumatherapie gibt es Ansätze, die speziell darauf abzielen, die Auswirkungen transgenerationaler Traumatisierung zu behandeln. Dazu gehören die Aufarbeitung familiärer Muster, die Aufklärung über das Trauma und das gezielte Erlernen von Bewältigungsmechanismen.

Familiäre Erziehungsmuster

Familiäre Erziehungsmuster spielen eine entscheidende Rolle bei der transgenerationalen Reproduktion von Traumata. Sie spiegeln oft unausgesprochene Ängste, Schuldgefühle und Verhaltensmuster wider, die durch das ursprüngliche Trauma geprägt wurden. Traumatisierte Eltern oder Großeltern entwickeln manchmal Erziehungsstile und Kommunikationsformen, die subtil oder direkt auf ihre traumatischen Erfahrungen zurückgehen und die nachfolgenden Generationen beeinflussen.

Typische Erziehungsmuster in der trans-generationalen Trauma-übertragung

 

1. Übertriebene Vorsicht und Sicherheitsorientierung

 Eltern, die traumatische Erfahrungen wie Krieg oder Flucht gemacht haben, können in ständiger Alarmbereitschaft bleiben und diese Ängste an ihre Kinder weitergeben. Sie neigen dazu, ihre Kinder übermäßig zu behüten und Gefahren überzubewerten. Die Kinder wachsen dann oft mit einem verstärkten Gefühl der Bedrohung auf und übernehmen die Ängste, auch wenn die eigentliche Gefahr längst vorüber ist.

2. Emotionale Distanzierung 

  Traumatisierte Eltern haben oft Schwierigkeiten, intensive Gefühle zu regulieren und neigen dazu, diese zu vermeiden. Diese Eltern können wenig emotionale Zuwendung zeigen, was für die Kinder oft verwirrend und schmerzhaft ist. Die Kinder spüren die emotionale Distanz und entwickeln selbst Schwierigkeiten, Nähe zu erleben oder Vertrauen zu anderen aufzubauen.

3. Perfektionismus und hohe Leistungsansprüche. 

In manchen Fällen entwickeln traumatisierte Eltern oder Großeltern ein Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit, das sie an ihre Kinder weitergeben, oft in Form von Perfektionismus oder hohen Erwartungen. Kinder in solchen Familien lernen, dass sie sich sehr anstrengen müssen, um akzeptiert und anerkannt zu werden. Dieser Druck kann dazu führen, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse unterdrücken und später im Leben Schwierigkeiten haben, ihre Identität unabhängig von den Erwartungen der Familie zu entwickeln.

4. Schweigen über das Trauma

Viele traumatisierte Eltern vermeiden es, über ihre Erfahrungen zu sprechen, um ihre Kinder vor Schmerz oder Verwirrung zu schützen. Dieses Schweigen kann aber oft dazu führen, dass die Kinder sich überfordert fühlen oder vermuten, dass etwas Schlimmes passiert ist, worüber aber nicht gesprochen werden darf. Das Schweigen wird so zu einem unausgesprochenen Familiengeheimnis, das die Kommunikation in der Familie belastet und das Vertrauen beeinträchtigt.

5. Übertragung von Schuld und Scham. 

Häufig übertragen traumatisierte Eltern Schuld- und Schamgefühle auf ihre Kinder. Die Kinder können starke Erwartungen erleben, das Leid der Familie „auszugleichen“, indem sie bestimmte Erfolge erzielen oder sich „würdig“ verhalten. Sie können Schuldgefühle oder ein übermäßiges Verantwortungsgefühl entwickeln, das ihre persönliche Entwicklung und ihre eigenen Bedürfnisse stark beeinflusst.

6. Vermeidung und Rückzug 

Viele Eltern, die ein Trauma erlebt haben, neigen dazu, Situationen zu vermeiden, die sie belasten oder an das Trauma erinnern könnten. Diese Vermeidung kann sich auf das Leben und Verhalten ihrer Kinder auswirken, da diese ebenfalls lernen, Stresssituationen und bestimmte Herausforderungen zu vermeiden. Dies kann zur Entwicklung von Angststörungen oder sozialen Problemen führen.

 

 

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